Liebe UnterstützerInnen, liebe FreundInnen, liebe MitgliederInnen,

lange hat es gedauert, bis nun endlich eine der zahlreichen HelferInnen welche in Röszke vor Ort waren Worte zu der Situation vor Ort gefunden hat.

Hier ein objektiver Tatsachenbericht zu den Vorkommnissen.

Nach dieser Fahrt hat sich der Großteil der HelferInnen zusammengetan um den Verein „Guarantee-on-tomorrow“ zu gründen.

Danke Marlies für deine Worte!

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“ Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ Helferin
Linz/St.Pölten/Wien/Röszke 12. September 2015

Samstag früh hat sich ein österreichischer Konvoi aus Privathelfern auf den Weg nach Röszke gemacht.
Mit 15 Helfer, 5 Fahrzeuge mit 4 Tonnen Waren, die in den Tagen davor emsig von Bekannten- und Freundeskreis, über FB Initiativen, von Firmen und Apotheken gesammelt, nächtelang sortiert und beschriftet wurden. Auch Material für ein Zelt das noch sehr wichtig für uns werden soll.
Eine Hand greift die andere, jeder tut was er leisten kann. Ein buntes Team das sich aus Studenten, Handwerkern, Müttern, einer Heilpraktikerin,  2 Übersetzer davon eine Medizin Studentin, zusammensetzt. Wir sind auf einem guten Weg, ohne Verzögerungen und Kontrollen erreichen wir unser Ziel an der ungarisch serbischen Grenze.
Das Transitlager das eigentlich kein Lager ist, sondern ein Feldweg mit Acker nach der serbisch -ungarischen Grenze wo es zu einem Rückstau an Flüchtlingen kommt, die von den ungarischen Behörden in Busse gesteckt und in „richtige“ Lager gebracht werden.
Über diese „richtigen“ Lager hatten wir uns im Vorfeld informiert, weil der Zutritt für uns untersagt ist entschließen wir im illegalen Transitlager zu helfen. Wir betreten eine europäische parallel Welt. Die letzte Öffnung im Ungarischen Grenzzaun, an deren Gegenseite täglich tausende Schutzsuchende auf gelobten europäischen Boden ankommen.
48 Stunden bevor sie geschlossen werden soll.

„Is this realy europe?“ Flüchtlinge

Es gibt bereits eine von freiwilligen Helfern organisierte Struktur
mobile Toiletten Zelte zur Ausgabe von Hygieneartikeln und Essen,
Zelte für die medizinische Versorgung, ein Team von Ärzten!
Helfer aus Deutschland, Ungarn, Österreich, England, etc.
Ein Zelt um Handys zu laden ist der Zuckerguss, aber wie wir wissen lebensnotwendig.
Einem Freiwilligen Information. Bei der wir uns anmelden.

Wir bekommen eine kurze Zusammenfassung der Lage
Jeder zieht die Warnweste an die er im  Auto hat,
alle Volontäre tragen hier so eine, manche mit Namensschild
In Röszke besteht Seuchenwarnung, wir bekommen Handschuhe und kleine Rationen Handdesinfektionsmittel. Sowie den Hinweis das die Freiwilligen ab Anbruch der Dunkelheit auf sich gestellt sein werden, offiziellen Organisationen u.a. UNHCR verlassen in der Nacht das Lager, Unwohlsein.
Wir errichten ein Zelt für die Versorgung von Müttern mit  Babys, Kleinkindern, der Standort des Zeltes wird uns zugeteilt, es ist das erste Zelt an dem die ankommenden  Flüchtlinge vorbeiziehen sollten. Das wird uns in dieser Nacht viel abverlangen. Neben dem Platz an dem unser Zelt stehen soll, parkt der Transporter einer Schreinerfirma von Austro-Albanern. Sie helfen uns auf der Stelle beim Aufbau.

„Gute Menschen gibt es überall, sie müssen sich nur finden“ Helferin

Ständig kommen durstige, hungrige, müde Menschen, aus allen sozialen Schichten, Familien mit Neugeborenen, und 85 Jähriger Großmütter. Die sich in die Warteschlangen für die Bustransfers einreihen, viel mehr Optionen bleiben nicht, die umliegenden Felder werden mit Hundestaffeln durchsucht, Die ungarischen Polizisten sind mit Wärmebildkameras ausgestattet dafür nicht mit Verpflegung für die eigenen Leute, von uns nehmen sie gerne Wasser an.

„Es gibt immer was zu tun“ Helferin

Die Helfer teilen sich auf, die die nicht beim Zeltbau gebraucht werden, unterstützen die bestehende Camp-Struktur. Sortieren Kleidung/Medikamente, sammeln Müll,  übersetzen, geben Informationen an die Flüchtlinge.
Bei Anbruch der Dunkelheit seht unser Versorgung Zelt, etwa zur selben Zeit wird es laut in einer Traube Menschen die vor den Bussen steht, Am Tag danach erfuhren wir den Grund, die Ungarische Polizei hatte Pfefferspray eingesetzt.

„Wenn Menschen mit einander arbeiten addieren sie ihre Fähigkeiten, wenn sie füreinander arbeiten multiplizieren sie Sie. „ Helferin

Als das Zelt steht passiert etwas Seltsames. Wir waren alle noch nie mit so einer Katastrophe konfrontiert doch  jeder Vertraut dem anderen zu 100%. Es gab keine Probe für den Einsatz, keiner übernahm das Ruder oder verteilte Aufgaben, von alleine bildeten sich verschiedene Hilfstrupps
(Wir hatten keine Team Namen aber der Einfachheit halber werde ich jetzt welche verwenden),
Es gibt ein „Welcome-Team“ das die vor unserem Zelt die ankommenden Flüchtlinge begrüßt, und ihnen Basic Infos gibt, wo sie sind, was es mit den Bussen auf sich hat, ob es dazu noch Alternativen gibt, wo gibt es Essen, Gewand und Schlafsäcke.
Aber der wichtigste Satz von allen war

„This is NO CAMP!, you are free, no registration, just sleep, tomorrow you can go!“

Manche glaubten uns nicht und kehrten um.
Die Schutzsuchenden wollten auf keinen Fall ihren Fingerabdruck in Ungarn hinterlassen, für Flüchtlinge die das mussten gibt es keine Zukunftsvision, sie würden auf unbestimmte Zeit einem ungarischen Camp „verwahrt „ werden.
Das Welcome Team richtet sich im Besonderen an die reisenden Familien, sie bringen diese zum “Care-Team „ im Zelt.
Dort werden die Kids und Muttis mit allem Versorgt was  fehlt, Windeln, Fläschchen, Kekse, trockene Kleidung, Schuhen.
Schuhen! Meine Güte davon haben wir nie genug. Von den kaputten nassen Schuhen die Kinder vor unseren Zelt abstreifen konnte um eine trockenes Paar über die wunden Füßchen zu streifen. Sollte am Morgen kein einziges mehr da sein. Die Kinder und Eltern denen wir keine mehr geben konnten nahmen sie.
Jeder Helfer hat eine Taschenlampe, auch die Goldschätze im Team „Shelter“, dieses Team dass zusammen mit Flüchtlingen im stockdunklen Personenzelte aufstellt mit Matten und Schlafsäcken ausstattet und dann den überglücklichen Bewohnern für eine Nacht übergibt!

Es kommt bei den Teams zu einem fliegenden Wechsel, so war jeder auch Teil des „Emergency Teams“. Diese Gruppe geht bepackt mit Wasserflaschen den Schutzsuchenden bis zur Grenze entgegen, leuchtete den Weg zurück, und trägt  erschöpfte, unterkühlte  Kinder an der Seite ihrer Eltern zum Lager.
Wichtigste Aufgabe ist es aber die Personen zu finden die es aus eigener Kraft nicht weiter schaffen können.
Verletzte, Alte, Kranke und Schwangere.
Einer aus dem Team bleibt  bei der Person, der Andere mobilisierte einen Sanitäter mit Trage, es gibt keine Bahren für Krankentransporte, wir verwenden Feldbetten aus dem Ärztezelt.
Wir alle dachten dass in den späten Abendstunden der Strom an Menschen schwächer werden würde, er blieb gleich, wir haben immer weniger  Waren und konzentrieren uns nun auf Akutfälle.
Nur noch Familien mit Kleinkindern! Alle anderen schicken wir zur Vergabestation der Ungarische Caritas.
Kurz nach Mitternacht bekommen wir überraschend  Gewand- und Schuhpakete vom Camp Versorgungszelt zum Teils ersehnte dick gefütterte Kinderwinterjacken, leider sind auch unsortierte Pakete dabei, es  gibt nichts schlimmeres als wenn du ein frierendes Kind anziehen willst und aus den Hilfs-Paketen Hotpants, Higheels und Badeanzüge ans Licht kommen.
Ich möchte an diesem Punkt etwas über die Menschen erzählen, die „Flüchtlinge“
selbst als wir nichts hatten das wir ihnen anbieten konnten, waren sie uns unermesslich dankbar dafür dass wir mit ihnen hier waren, und ihnen Menschlichkeit gaben.
Gegen 2 Uhr für sind die Akkus der Lichtstrahler erschöpf, die Beleuchtung läuft nur noch mit Stirnlampen. die Menschen die sich vor unser Zelt einreihen werden weniger oder es werden nur weniger vom dunklen Zelt angezogen und gehen stattdessen weiter zum hell erleuchteten Lager Kern, dort lief die Beleuchtung mit Platzlicht wie bei einem Fußballspiel.

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In unserem Zelt schlafen gemischt die Helfer der Tageschicht, Volontiere anderer Hilfsorganisationen sowie ein Junge der eine Weile alleine vor unserem Zelt gestanden hat und nicht wusste wohin mit sich bis ihn eine Helferin hinein bittet und ihm ein Bett zurecht macht.
Schlaf zu finden in Röszke ist eine schwierige Übung, selbst wenn man die Kälte und das Elend ausblenden kann, eine Sache ist schwer auszublenden, Der Helikopter.
Für die Menschen hier bringt der Rotorlärm die Erinnerung an den Krieg in der Heimat zurück. Die ganze Nacht kreist dieses Scheißding über dem Lager.

5 Meter vor unserem Zelt haben sich ein paar junge Männer ein Lager für die Nacht bereitet, mit umliegenden Kartonstreifen entfachen sie ein Lagerfeuer. Einer der Männer bleibt die ganze Nacht wach um sich und das Feuer zu kümmern das seinen kranken Freund wärmt.

Es war für uns ein gutes Gefühl die Jungs bei uns zu haben eine konstante, wo so viele Menschen uns in dieser Nacht besuchten. Wenn einer unserer Kartons leer war geben wir ihn zum Verbrennen her. In dieser Nacht durften wir alle mit jeder Faser unseres Körpers Mensch sein.
Kurz vor Sonnenaufgang übernimmt die nächste Schicht die Ausgabe im Zelt, dichter roter Nebel der Morgenröte liegt über Röszke,

Die meisten schlafen, Die Flüchtlinge, die Helfer und die serbische Grenzschutzpolizei in einem Jeep.
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt sich die Beine zu vertreten, wir schnappen einen Sack mit Wasserfaschen und machen uns auf dem Weg zum Zaun.
An der Grenze warten zwei Junge Herren aus Wien mit Einer Kiste Decken und Wasserflaschen, der größere der beiden mit Bart in einer schwarzer skinny Jeans, trägt eine fette Kamera um den Hals, eine der Decken hat er sich übergeschwungen. Er fragt uns „Seits ihr die Ablöse? Wir sind schon 2 Stunden da und es ist echt kalt.“

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Was ist das? Elendstourismus? Sind die Bilder für den Blog schon geknipst?

Aber das denk ich bloß.
In 5 Meter Entfernung stehen zwei serbische Grenzpolizisten, bewaffnet, wir sagen ihnen Guten Morgen, jeder in seiner Sprache.

Wir halten uns nicht zu lange an der Grenze auf, wenn wir dort stehen traut sich keiner der Menschen auf die andere Seite.

Ein neuer Tag bricht an für die Organisation im Zelt , wir sortieren unsere Bestände, die Idee Sommerkleidung zurück nach Österreich zu nehmen und sie später an Menschen in Not zu verteilen lassen wir fallen, Es besteht Seuchengefahr.

Unser Zelt blieb sauber, Die Nachschicht hat nur Socken getragen. Jeder zog seine Schuhe aus wenn er ins Zelt ging die Helfer und auch die Mütter und Kinder. Jedes Paar Schuhe wartete auf seinen Besitzer vor dem hinteren Zelteingang, nie ist eines verschwunden.

Der Mutter Kind Bereich füllt sich, Die Mamas sind über glücklich sich in Ruhe um Ihre Babys zu kümmern sie zu wickeln und stillen, spürbare Erleichterung bei Allen, Geschwister spielen miteinander. Die Väter warten draußen vor dem Zelt.
Sie wurden von der ankommenden Presse interviewt.

Auf einmal war es als sei Zirkus.
Ein Fotograf steht mit Schuhen im Zelt und knipste die stillenden Mütter.
Das oneman Team „Fuck the media“ meistert ab diesen Zeitpunkt perfekte Pressearbeit, also die Medien vom Zelt fernzuhalten.

„Gab es heute Nacht Tote?“

Zwei Mitarbeiter von UNHCR werfen uns im Vorbeigehen diese Frage zu.
Nein, nicht in dieser Nacht! Trotzdem wird die Frage noch die nächsten Tage an uns nagen.

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Die Truppe die vor unserem Zelt übernachtete hat sich schon auf dem Weg gemacht, ich hätte mich gerne von Ihnen verabschiedet und Ihnen alles Gute gewünscht.

Es gibt wieder viel zu tun.
Die verlassenen Zelte werden gereinigt und für neue Bewohner vorbereitet.
Die Flüchtlinge halfen uns dabei. Sie halfen uns immer,
Sie halfen uns Müll zu sammeln, sie haben übersetzt, sie halfen uns die Familienzelte aufzubauen, sie haben mit uns die Verletzten getragen, sie haben uns Spenden zurückgegeben die nicht gebraucht wurde damit wir sie weiter geben konnten.

In den Volontärmeetings beschäftigen wir uns mit der Frage was mit dem Zelt  passieren wird, wenn wir nichtmehr hier sind.
Die NGO Save the Children willigt ein unser Zelt zu übernehmen und nach unsere Abreise die Hilfe fortzusetzen.
Im Team weisen wir unsere Ablöse ein, erzählen Ihnen von der Nacht, dass sie Licht brauchen werden, welche Sprachen wichtig sind, wo alles ist, was jede Familie von uns bekommt, wovon wir nie genug hatten.

Auf der Fahr nach Hause kommen die ersten Tränen. Nach Röszke setzt bei uns ein Kulturschock ein, einfache Dinge wie ein weiches Bett oder eine warme Dusche erinnern uns daran dass nichts Selbstverständlich ist.

DANKE!!!
für jede Hilfe,
für die Spenden,
für die geliehenen Fahrzeuge,
für die Arbeit beim Sortieren und Beschriften,
für die Hilfe vor Ort.

Wenn es einen Gott gibt, so beschützte er bitte
„unsere Kinder“, „unsere Mütter“, „unsere Väter“ und alle Menschen die ihre Heimat verlassen müssen und in der Fremde auf Hilfe angewiesen sind.